Europarecht
Das Europarecht ist das überstaatliche
Recht in Europa.
Der Begriff gilt als Abbild „des
begrifflichen Daches für mehrere rechtliche Ordnungen (Internationale
Organisationen), die vielfältig miteinander verflochten sind“,
und „zeitgeschichtlich/politisch ihrerseits – ebenso wie EG/EU –
Bestandteil des europäischen Einigungswerkes sind“.
Man unterscheidet zwischen Europarecht im
weiteren Sinne und Europarecht im engeren Sinne. Das
Europarecht im engeren Sinne bezeichnet das Recht der
Europäischen Union, auch Unionsrecht genannt, sowie der
Europäischen Atomgemeinschaft, die mit der EU institutionell
verbunden ist.[Anm
1] Das Europarecht im weiteren Sinne umfasst darüber
hinaus auch das Recht der anderen europäischen
internationalen Organisationen.
Es kann keine klare
und widerspruchsfreie Trennung zwischen beiden Ordnungen des
Europarechts gezogen werden.
(Europäische) Integration als „Zustand, Prozeß und Ziel“
ist ein ständiger Veränderung unterworfener, evolutiver Vorgang. Die
dem Europarecht zugrunde liegende Regelungsmaterie Europa ist
und bleibt vorläufig eine „Baustelle“.
Europarecht im engeren Sinne
Seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon wird das Recht
der
Europäischen Union als Unionsrecht bezeichnet.
Das Recht der mit der EU institutionell verbundenen, rechtlich aber
weiterhin eigenständigen Europäischen Atomgemeinschaft steht jedoch
gleichberechtigt neben dem Unionsrecht.
Das Unionsrecht grenzt sich vom Völkerrecht (und dem
dazugehörenden Europarecht im weiteren Sinne) insbesondere durch
zwei Eigenarten ab, die sein Verhältnis zum nationalen Recht der
Mitgliedstaaten betreffen: seine teilweise unmittelbare
Anwendbarkeit in den Mitgliedstaaten ohne nationalen Umsetzungsakt
und den
Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor dem mitgliedstaatlichen
Recht. Unionsrecht ist eine
supranationale Rechtsordnung eigener Art, die als
überstaatliches, aber nicht als gewöhnliches
Völkerrecht zu klassifizieren ist. Der korrekte Begriff seit dem
Lissabonvertrag ist dementsprechend Unionsrecht, während
Gemeinschaftsrecht nur noch historischen Wert hat.
Im Bereich der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gelten diese
Aussagen streng genommen nicht. Es ist eher völkerrechtlich
organisiert; das zeigt sich insbesondere daran,
- dass Entscheidungen einstimmig getroffen werden,
- dass sich die gefassten Beschlüsse an die Mitgliedstaaten
und die Organe der Union, nicht aber unmittelbar an die Bürger
richten und
- dass der
Gerichtshof der Europäischen Union – vom Fall des
Art. 275 Abs. 2
AEUV abgesehen – in diesem Bereich nicht zuständig ist. Es
können also weder die Verpflichtungen aus den Beschlüssen im
Rahmen der GASP eingeklagt noch können
Rechtsakte in diesem Gebiet angefochten werden.
Das Europarecht im engeren Sinne besteht aus dem Primärrecht und
dem ihm untergeordneten Sekundärrecht; besondere Bedeutung hat
daneben die Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs.
Europarecht im weiteren Sinne
Das Europarecht im weiteren Sinne schließt − neben dem
Europarecht im engeren Sinne − auch das Recht anderer europäischer
Organisationen mit ein. Zu nennen sind vor allem der
Europarat mit der
Europäischen Menschenrechtskonvention und die
EFTA. Weitere europarechtliche Abkommen und Organisationen sind:
Diese Abkommen sind
völkerrechtliche Verträge zwischen den teilnehmenden Staaten.
Ihr Recht berechtigt und verpflichtet daher nur die Staaten selbst,
erzeugt aber aus sich heraus keine unmittelbare Rechtswirkung
innerhalb der innerstaatlichen Rechtsordnungen; dazu bedarf es einer
innerstaatlichen (verfassungsrechtlichen) Geltungsnorm (zum Beispiel
Art. 93 der niederländischen Verfassung) oder eines staatlichen
Umsetzungsaktes. Damit unterscheiden sie sich vom Europarecht im
engeren Sinne, das nach dem Grundsatz des
Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auch ohne
mitgliedstaatlichen Umsetzungsakt
unmittelbare Anwendung finden kann (so
EU-Verordnungen und unter Umständen auch
EU-Richtlinien).
Zwischen den im weiteren Sinne europarechtlichen Abkommen und dem
Europarecht im engeren Sinne gibt es zahlreiche Schnittstellen.
Beispielsweise werden die
Europäische Kommission und der
Europäische Gerichtshof auch im Rahmen des
EWR-Abkommen tätig. Der
Europäische Gerichtshof greift für die Gewinnung von
Grundrechten auch auf die Bestimmungen der
Europäischen Menschenrechtskonvention zurück; der
Vertrag von Lissabon sieht (daher) sogar den Beitritt der
Europäischen Union zur
Europäischen Menschenrechtskonvention vor
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